Archiv 2005 - 2001

25.09.2001

Welche Werte wie vermitteln?

Pressemitteilung: Welche Werte wie vermitteln?

Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier und Schulreferent Günter Puzberg konnten in Haus Stapelage etwa 70 Pädagogen begrüßen.
Ehrlichkeit, Toleranz, Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Fairness - fast niemand bestreitet die grundlegende Bedeutung solcher und ähnlicher Werte. Aber fast niemand handelt konsequent danach. Diesen Widerspruch zwischen Wollen und Tun, zwischen Einstellung und Verhalten nannte der Professor für Evangelische Praktische Theologie und Religionspädagogik eine "menschliche Grundsituation". Davon ausgehend, beschrieb er ganz nüchtern und bescheiden das Ziel schulischer Werterziehung: den Widerspruch so weit wie möglich zu verringern, den Graben zwischen ethischem Anspruch und menschlicher Realität zu verkleinern, so gut es eben geht. "Wenn wir an der Schule keine Werterziehung versuchen, sind es irgendwelche Rattenfänger, die das tun", sagte der Leiter der Forschungsstelle "Werterziehung in Gesellschaft und Religion" an der Osnabrücker Universität.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September ist gelegentlich von einem Zusammenprall von Wertvorstellungen oder gar von einem "Kampf der Kulturen" die Rede. Es geht nach Mokroschs Überzeugung aber nicht um eine gegenseitige Missachtung der Werte, sondern um einen unterschiedlichen Stellenwert innerhalb der jeweiligen Werteskala. "Außerdem kritisieren die Konfliktpartner oft nur die perversen Auswirkungen falsch verstandener Werte, nicht aber diese selbst." Werterziehung habe hier die Aufgabe, die unterschiedliche Rangfolge bestimmter Werte bei den jeweiligen Konfliktparteien deutlich zu machen.
Er räumte ein, dass vieles gegen die Möglichkeit einer schulischen Werterziehung überhaupt spreche: die künstliche Unterrichtssituation, der Zwangscharakter der Schule und auch der Unterschied zwischen den Werten Jugendlicher und Erwachsener. Hinzu kämen die "Großfaktoren öffentlicher Unmoral" und eine allgemeine Wertekrise. Heranwachsende würden sehr schnell merken, wie viel oder wie wenig die in der Schule besprochenen Maßstäbe mit der Erwachsenenwelt zu tun hätten. Möglich und nötig sei es aber, davon ist Professor Mokrosch überzeugt, den Schülern bei der Entwicklung ihrer inneren Werteinstellung zu helfen. "Typisch christlich ist dabei der Glaube, dass unsere Schüler viel besser sind als wir es ihnen zutrauen."
Als ersten Schritt beschrieb der Theologe das Klarwerden über den Pluralismus, den Wandel und die Widersprüche, die heute vorherrschen. Die Jugendlichen sollten sich dann ihrer eigenen Wertwidersprüche, aber auch ihres eigenen Verhaltens in verschiedenen Lebensbereichen bewusst werden. Angesichts dieser Situation könnte in einem nächsten Schritt "ihre moralische Urteilsfähigkeit und ihr moralisches Gefühls-, Einfühlungs- und Erlebnisvermögen gefördert werden." Mokrosch machte auch deutlich, wie stark Werte dem Zeitgeist unterworfen sind: An die Stelle von Vaterlandsliebe, Fleiß und Pflichtbewusstsein sind später Selbstbestimmung, Toleranz oder Chancengleichheit getreten. Der Referent warnte davor, sich auf die "instrumentellen Werte" oder Sekundärtugenden zu beschränken: Ordnung und Pünktlichkeit seien zum Beispiel keine "eigentlichen" Werte, sondern Mittel zum Zweck. "Die Schüler müssen spüren, dass es uns um mehr geht."

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