Über „Vorgeburtliche Diagnostik“ diskutierten (von links): Pfarrer Christoph Pompe, Pfarrerin Christa A. Thiel, Prof. Thomas Krauß, Prof. Elisabeth Gödde und Dr. Wilfried Simmes.

Hilfe bei Konfliktschwangerschaften

Ev. Beratungszentrum beleuchtete Chancen und Risiken „Vorgeburtlicher Diagnostik“

Kreis Lippe/Detmold. „Informieren Sie sich, was es für Sie bedeutet, ein behindertes Kind aufzuziehen. Lassen Sie sich professionell beraten und entscheiden Sie nicht unter Zeitdruck.“ Diese Ratschläge gab Pfarrerin und Autorin Christa A. Thiel denjenigen Schwangeren mit auf den Weg, die die Podiumsdiskussion über „Vorgeburtliche Diagnostik“ im Diakonischen Werk der Lippischen Landeskirche am Donnerstag, 26. Januar, verfolgten.

Fortsetzung der Schwangerschaft oder Abbruch? Diese Frage stellt sich schwangeren Frauen, die sich einer „pränatalen Diagnostik“ (vorgeburtlichen Untersuchung) unterziehen und bei denen festgestellt wird, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein behindertes Kind gebären werden. Um diesen Frauen eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, hat Christa A. Thiel das erzählerische Sachbuch „Check-up in Woche 8“ geschrieben. Dieser Ratgeber schildert den exemplarischen Fall einer 35-jährigen Schwangeren, in deren Familie es eine Erbkrankheit gibt. Christa Thiels „Romanfrau“ Petra macht sich Gedanken, ob sie sich einer vorgeburtlichen Diagnostik unterziehen soll, welche Risiken für das Ungeborene mit dieser Untersuchung verbunden sind und wie sie sich im Falle einer Fehlbildungsdiagnose verhalten soll. Christa Thiels Fazit: „Eine generelle Antwort gibt es nicht. Es hängt von den konkreten Lebensumständen der Frau sowie ihren Werten und Überzeugungen ab, ob sie sich für eine Schwangerschaftsfortsetzung oder einen Abbruch entscheidet.“ 

Teilnehmer an der vom Evangelischen Beratungszentrum veranstalteten Podiumsdiskussion waren Prof. Dr. Elisabeth Gödde, Humangenetikerin und Psychotherapeutin, Prof. Dr. Thomas Krauß, Chefarzt der Frauenklinik Lippe, Dr. Wilfried Simmes, Frauenarzt und Pränataldiagnostiker der Frauenklinik in Detmold, sowie Pfarrer Christoph Pompe, Psychotherapeut und Leiter des Evangelischen Beratungszentrums. 

Prof. Gödde riet dazu, sich bereits vor einer pränatalen Untersuchung eingehend und unter Inanspruchnahme von Beratungsstellen sowohl mit der Untersuchung selbst wie auch mit den daraus folgenden Entscheidungsfragen auseinanderzusetzen. Nach der Diagnose einer Kindesbehinderung, etwa durch das Down-Syndrom, sollten die Frauen ihre Entscheidung in Ruhe und nicht unter Zeitdruck treffen: „Es gibt keinen Grund dafür, eine Abtreibung übers Knie zu brechen.“ Schwangerschaftsabbrüche seien zeitlich unbefristet auch nach der zwölften Woche möglich, wenn die Schwangerschaft das Leben bzw. die körperliche und seelische Gesundheit der Frau gefährde. Dies gelte auch, wenn eine Schädigung des Kindes vorliege oder zu befürchten sei.

Dr. Simmes informierte darüber, dass in Deutschland das Alter gebärender Frauen tendenziell zunehme. 15 Prozent der Schwangeren seien älter als 35 Jahre. Durch ungefährliche Ultraschalluntersuchungen könnten Down-Syndrom-gefährdete Ungeborene mittlerweile recht zuverlässig erkannt werden. Die Wahrscheinlichkeit, durch eine Fruchtwasserentnahme (Amniozentese) eine Frühgeburt auszulösen, bezifferte Dr. Simmes auf ein bis zwei Prozent. 

Prof. Dr. Krauß machte darauf aufmerksam, dass werdende Eltern immer höhere Ansprüche an die Pränataldiagnostiker stellten: „Es werden möglichst perfekte Kinder erwartet. Wenn die Neugeborenen dann doch Fehlbildungen aufweisen, werden die Ärzte verantwortlich gemacht und möglicherweise verklagt.“ Dass Schwangerschaftsabbrüche auch Teile der Ärzteschaft seelisch belasten und zu Gewissenskonflikten führen, werde in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Christoph Pompe rief dazu auf, Frauen mit Konfliktschwangerschaften auf keinen Fall allein zu lassen. Bei allen Fragen zu vorgeburtlichen Untersuchungen steht das Evangelische Beratungszentrum, Lortzingstraße 6, Detmold, Tel. 05231 / 99280 beratend und begleitend zur Verfügung.

30.01.2006