Kinderarmut wahrnehmen und abbauen

Impulse für Kindergottesdienst-Mitarbeitende

Pfarrerin Dorothea Brand überreichte Kirchenrat Andreas-Christian Tübler in der Dorfkirche Heiden den an die Kirchenvorstände gerichteten „Offenen Brief“.

Kreis Lippe/Lage-Heiden. Wie gehen Kirchengemeinden mit Familien und Kindern um, die in Armut leben? Können Gemeinden der Armut abhelfen? Was bedeutet es, von Hartz IV zu leben? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Kindergottesdienst-Mitarbeitenden-Tages am Samstag, 1. November, in Heiden. Eingeladen zum Impulstag und zum Meinungsaustausch hatte der Lippische Landesverband für Kindergottesdienst.

Kirchenrat Andreas-Christian Tübler bekräftigte auf dem Mitarbeitenden-Tag, dass das Thema Armut und insbesondere die Situation von in Armut lebenden Kindern die Landeskirche schon seit einiger Zeit beschäftige. Auf der Herbsttagung 2008 der Lippischen Landessynode werde dieses Thema erneut breiten Raum einnehmen. Auf das Motto des Mitarbeitenden-Tages „Bring Leben ins Leben“ eingehend, sagte Kirchenrat Tübler, dass gerade Familien in die Lage versetzt werden sollten, ein Leben zu führen, das zu leben sich lohne. Dazu benötigten die Familien einerseits die materiellen Grundlagen, andererseits Zuwendung und Wertschätzung. Den ehrenamtlich Mitarbeitenden im Kindergottesdienst dankte Tübler für deren Engagement in dieser Hinsicht.

Als Gastreferent der Fortbildung berichtete der Diplom-Psychologe Heinz Entfellner von seiner Arbeit als Ombudsmann bei der „Lippe pro Arbeit“. Kindern bis 14 Jahre von Hartz-IV-Empfängern stünden monatlich etwas mehr als 210 Euro zu. Davon seien knapp drei Euro täglich für die Ernährung gedacht. Dieser Betrag sei nicht ausreichend, kritisierte Entfellner: „Wenn wir die Preissteigerungen der jüngsten Zeit berücksichtigen, wird klar, dass Familien arge Probleme haben, für Kinder ein gesundes Essen auf den Tisch zu bringen.“ Auch die veranschlagte Summe von monatlich 20 bis 25 Euro für Schuhe und Bekleidung sei „sehr knapp bemessen“. Derzeit bezögen in Lippe knapp 40.000 Menschen Hartz IV bzw. Arbeitslosengeld II.

Pfarrerin Dorothea Brand, Vorsitzende des Lippischen Landesverbandes für Kindergottesdienst, regte einige konkrete Projekte an, um in den Kirchengemeinden die Armutsfolgen zu lindern: Kleidertauschbörsen in Kindertagesstätten, gemeinsames Frühstück im Kindergottesdienst, Spiele-Ausleihe zum Wochenende, Patenschaften für Konfirmanden usw. Pfarrerin Brand: „Es geht nicht in erster Linie um Bereitstellung finanzieller Mittel, sondern um ganz praktische Hilfe.“

Um der auf dem Mitarbeitenden-Tag erörterten Armutsthematik mehr Nachdruck zu verleihen, hatte Pfarrerin Brand einen „Offenen Brief an die Kirchenvorstände in Lippe“ formuliert und zur Unterschrift ausgelegt. Im Brief heißt es u.a.: „Armut hat viele Gesichter und Formen angenommen. Wenn wir über Kinderarmut reden, dann müssen wir auch über Verwahrlosung oder Vernachlässigung nachdenken oder über Bildungsarmut und deren Folgen reden.“ Christen seien aufgefordert, Armut wahrzunehmen, abzubauen und damit Kindern Zukunftschancen zu ermöglichen. Pfarrerin Brand: „Die Kinder brauchen uns, wie wir die Kinder brauchen, um unser Leben zu gestalten und ihm Sinn zu geben.“

Der Mitarbeitenden-Tag alljährlich im November in Heiden gibt Impulse für die Kindergottesdienstgestaltung. Die Ehrenamtlichen erfahren hier eine Motivation für ihr Engagement. Außerdem tauschen sich die Mitarbeitenden darüber aus, was in den einzelnen Kirchengemeinden geschieht.

03.11.2008