Archiv 2005 - 2001

28.01.2004

Das Leben bekommt einen neuen Klang

Pressemitteilung: Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

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Sie erinnerten an die Opfer des Faschismus und stellten Bezüge zur Gegenwart her: Karin Lilienthal, Gisela Büker, Hartwig Glöckner, Erika Böttcher, Maik Fleck, Gerda Ehlers, Michael Keil und Johann-Ardin Lilienthal (von links).

Gemeinsam mit der evangelisch-reformierten Gemeinde Barntrup hatte die Lippische Landeskirche zu diesem Gedenkgottesdienst eingeladen. Leben bedeute: aufmerksam zu sein für die Verlorenen, Unterdrückten, Benachteiligten, sagte der landeskirchliche Beauftragte für jüdisch-christliche Begegnungen. Weil Gott das Verlorene suche, könnten wir die Augen, Ohren und Herzen offen halten und so ein Stück des eigenen Lebens wieder entdecken. In der Geschichte der Opfer sei der „Anruf Gottes“ hörbar. Ihm zu folgen, bedeutet nach Überzeugung von Pfarrer Fleck auch, „dem ganz anderen“ neben uns Raum zu lassen: „Die Opfer wollten als die anderen mitten unter uns leben.“
Eine Gruppe unter Leitung der Barntruper Pfarrer Michael Keil und Hartwig Glöckner hatte den Gottesdienst vorbereitet. Im abschließenden Fürbittengebet kamen auch Bezüge zur Gegenwart zur Sprache. Das Gebet galt verschiedenen Opfergruppen: Juden, die heute noch in Deutschland Angst haben, Sinti und Roma, die nach wie vor diskriminiert werden. Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, die damals mit dem Tode bestraft wurden, sind heute immer noch nicht offiziell rehabilitiert – und als Flüchtlinge aus anderen Ländern ebenso wie politische Widerstandskämpfer im heutigen Deutschland von Abschiebung bedroht. Homosexuelle, „damals entwürdigt bis zum Tod“, seien heute bedroht von Vorurteilen und gewalttätigen Übergriffen. Behinderte, damals als „lebensunwertes Leben“ um ihr Daseinsrecht gebracht, würden heute oft als Kostenfaktor verwaltet. Für jede Opfergruppe spielte die Orgel einen Ton, der während des Gebets blieb. So baute sich nach und nach ein Mehrklang, ein Cluster aus sieben Tönen auf, dessen Dissonanzen, für die Zuhörer kein reines Vergnügen, in Beziehung standen zu der Gebetsaussage: „Was menschliche Ohren oft nicht wahrnehmen, du hörst es, Gott, immer noch, heute wieder.“

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