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29.12.2003

Ernst nehmen und zum Mitmachen motivieren

Pressemitteilung: Konfirmierte ab 14 dürfen bei der Kirchenvorstandswahl mitstimmen

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Hat sich für das aktive Wahlrecht ab der Konfirmation eingesetzt: Pfarrer Andreas Lange

Bei politischen Wahlen darf man erst ab 18 seine Stimme abgeben. Warum bei der Kirche schon ab 14?
Viele Jugendliche engagieren sich in der Kirche. Das war ein Grund, ihnen Mitbestimmung durch Wahlrecht zu ermöglichen. Bei Kirchenwahlen darf man zur Wahl gehen, wenn man 14 ist und konfirmiert wurde. Das ist sinnvoll. Wer an einer Wahl teilnehmen möchte, sollte wissen, worum es dabei eigentlich geht. Der Konfirmandenunterricht ist der Ort, an dem Jugendliche erfahren, was ein Kirchenvorstand ist, wie eine Gemeinde sich organisiert, welche Aufgaben Pfarrer und Kirchenvorstandsmitglieder haben. Sie erfahren dabei auch, dass in der Kirche neben wenigen hauptamtlichen Mitarbeitern das Ehrenamt eine große Rolle spielt, auch in der Leitung einer Gemeinde. Am Ende der Unterrichtszeit sind die meisten Jugendlichen knapp 14 Jahre alt. Wenn dann die nächsten Wahlen zum Kirchenvorstand anstehen, sind sie – etwas wenigstens – informiert.

Ist die Jugend die Kirche der Zukunft?
Die jungen Leute von heute sind die, die morgen Entscheidungen mitzutragen haben. Das ist nicht nur in der Kirche so, aber eben auch. Es ist gut, wenn Menschen schon in jungen Jahren erfahren, dass in der Kirche Mitbestimmung, Teilhabe und Basisdemokratie gelebte Werte sind. Die Zeit, in der es chic war, die Kirche zu verlassen und vom Glauben nichts zu halten, scheint mir vorbei zu sein. Die Angebote der Jugendarbeit in den Gemeinden werden gut nachgefragt, zu besonderen Ereignissen – wie zuletzt dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin – kommen auch schon einmal 200.000 junge Leute zusammen.

Sind 14-Jährige denn reif genug, auf diese Weise aktiv mit zu entscheiden?
Ja, das denke ich. Wenn bei der Konfirmation den Jugendlichen gesagt wird, dass sie nun Teil der Gemeinde sind, dann merken sie bei einer Kirchenvorstandswahl, dass das stimmt. Erstmals in ihrem Leben dürfen sie bei einer öffentlichen Wahl abstimmen – eine gute Erfahrung mit Kirche.

Was ist, wenn nach der Wahl den älteren Entscheidungsträgern in der Gemeinde die Anliegen der Jugend dann doch nicht so wichtig sind?
Immerhin sind die Jugendlichen ein Teil der Wähler. Und Jugendliche haben Eltern und Großeltern, die vielleicht auch zur Wahl gehen. Um in der Kirche gar nicht erst so etwas wie „Politikverdrossenheit“ aufkommen zu lassen, kann man Kirchenvorständen nur raten, sich auch zwischen den Wahlen für die Jugend zu interessieren. Möglichkeiten gibt es genug: Jugendthemen könnten in öffentlicher Sitzung behandelt werden; Jugendliche könnten zu bestimmten Themen als beratende Gäste eingeladen werden. Das wird dann von jungen Leuten wahrgenommen. Es setzt das Signal „hier komme ich vor und werde ich Ernst genommen“ - die beste Voraussetzung, Wähler zu gewinnen und Jugendliche zum Mitmachen zu motivieren.

Dürfen sich Jugendliche auch selbst zur Wahl stellen?
Nein, das passive Wahlrecht liegt nach wie vor bei 18 Jahren. Denn wer im Kirchenvorstand mitarbeitet, muss, schon aus rechtlichen Gründen, volljährig sein. Aber das Recht, Kandidaten vorzuschlagen, haben alle Wahlberechtigten, also auch diejenigen, die mindestens 14 Jahre alt und konfirmiert sind. Damit die Jugend im Kirchenvorstand eine Stimme hat, kann es nicht verkehrt sein, unter Jugendlichen auch einmal gezielt zu überlegen: „Wen würden wir vorschlagen wollen als Kandidat, wem trauen wir zu, dass er sich für uns einsetzt?“. Bis Anfang Januar nimmt jedes Gemeindebüro in Lippe solche Vorschläge an.

Ist die Lippische Landeskirche mit dieser Regelung bundesweit Vorreiter?
Lippe war eine der ersten Kirchen in Deutschland, die konfirmierten Jugendlichen das aktive Wahlrecht ermöglicht hat. Man will in der Kirche nicht über Jugendliche reden, sondern lädt sie ein, mitzubestimmen. Wenn man sieht, wie auch bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen die Wahlbeteiligung immer stärker zurück geht, kann man nur erschrecken: denn Demokratie lebt vom Mitgestalten und das aktive Wahlrecht ist etwas, für das Menschen in anderen Ländern viel geben würden, wenn sie es hätten. Dass wir in der Kirche Menschen einladen, ab 14 Jahren zur Wahl zu gehen, ist ein Stück auch Einüben in Demokratie. Kirche ist die Gemeinschaft der Generationen, und am allerbesten ist es, wenn das auch in der Gemeindeleitung zum Ausdruck kommt: dann redet man nicht übereinander, sondern miteinander.

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