Die Erinnerung ist notwendig

Landessuperintendent Dietmar Arends sprach auf der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Zerstörung der jüdischen Gemeinde in Biržai

Kreis Lippe. In Biržai in Litauen wurde am Sonntag, 8. August, anlässlich des 80. Jahrestags der Zerstörung der jüdischen Gemeinde der Stadt an die Menschen erinnert, die diesem Verbrechen zum Opfer fielen. In Anwesenheit von Parlamentsabgeordneten und Vertreterinnen und Vertretern der jüdischen Gemeinde in Litauen wurden außerdem Menschen geehrt, die Juden in Biržai gerettet hatten.

Eine Prozession mit Redebeiträgen führte zu den verschiedenen Orten des Gedenkens – darunter auch zum jüdischen Friedhof der Stadt, wo damals die Morde der deutschen Besatzer und ihrer Helfer ihren Anfang nahmen und 30 Menschen erschossen wurden.

Vor einigen Jahren hatten sich Lipper mit dafür engagiert, dass dieser Friedhof wieder zugänglich gemacht und gepflegt wurde. Landessuperintendent Dietmar Arends war aus Anlass des Gedenktages eingeladen, hier die Ansprache zu halten. Er hob die besondere Beziehung der Lippischen Landeskirche zu diesem Ort hervor: „In den Jahren 2011 bis 2013 haben zumeist junge Menschen aus unserer Kirche gemeinsam mit ebenfalls zumeist jungen Menschen aus Biržai diesen Friedhof zum Teil erst wieder zugänglich gemacht, nachdem er über die Jahre überwuchert war. Dieses so wichtige gemeinsame Tun nahm seinen Ausgangspunkt hier in Biržai bei Schülerinnen und Schülern in der Ausra-Mittelschule. Dass junge Menschen aus Litauen und Deutschland gemeinsam sich der Geschichte erinnern und sie buchstäblich ans Licht holen wollten, das ist ein wichtiges, ein gutes Signal, ein Zeichen der Hoffnung. Ihr gemeinsames Tun ist wesentlicher Teil einer gemeinsamen Kultur der Erinnerung, die nicht vergessen lassen will, was geschehen ist.“

In seiner Predigt in der evangelisch-reformierten Kirche in Biržai erinnerte Dietmar Arends an die menschlichen Schicksale. Von den 2.400 ermordeten Menschen sind inzwischen 625 auf einer Gedenktafel verzeichnet. Eine Tafel mit weiteren 25 Namen ist im Rahmen der Gedenkveranstaltung hinzugekommen. Dietmar Arends: „Wenn wir uns heute – achtzig Jahre danach – an diese Ereignisse erinnern, bleibt die Erinnerung nur schwer auszuhalten. Es war ein Morden, das den ganzen Tag anhielt: 720 Männer, 780 Frauen, 900 Kinder - so wird erzählt.“ Das reiche jüdische Leben in dieser Stadt sei ausgelöscht worden, wie an so vielen Orten in Europa: „Eigentlich müssten wir uns heute die Geschichten der Menschen erzählen, denen die Mörder das Leben an diesem Tag auf so furchtbare Weise genommen haben,“ so Arends: „Die Erinnerung ist notwendig, damit nie wieder geschieht, was geschehen ist. Das gilt auch für unser Erinnern. Ausgerechnet in meinem Land, von dem dieses unfassbare Morden ausging, gibt es Menschen, die sagen, es muss doch einmal Schluss sein mit dem Erinnern. Nein – es darf nie Schluss sein damit, dass wir uns erinnern.“

09.08.2021