„Wir leben unter demselben Himmel“

Die Reihe „Religionen im Gespräch“ findet erstmals auch in Lemgo statt. Christen und Muslime kommen in St. Nicolai in einen fruchtbaren Austausch

Fruchtbarer Dialog: (von links) Dr. Ulf Zastrow, Dr. Adem Aygün und Dr. Katharina Kleine Vennekate entdecken bei ihrem Austausch viele Gemeinsamkeiten, würdigen aber auch die Unterschiede in den Heiligen Schriften ihrer Religionen.

Kreis Lippe/Lemgo. In Detmold hat sich die Reihe „Religionen im Gespräch“ schon lange etabliert. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe, die Evangelische Studierendengemeinde Detmold/Lemgo, das Katholische Bildungswerk Lippe und das Bildungsreferat der Lippischen Landeskirche haben das Format nun erstmals nach Lemgo geholt. Islamwissenschaftler Dr. Adem Aygün (Kirchlich Pädagogische Hochschule Wien/Krems), Pfarrer Dr. Ulf Zastrow (Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Nicolai) und Hochschulpfarrerin Dr. Katharina Kleine Vennekate sprachen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bibel und im Koran.

Kleine Vennekate hat als Hochschulpfarrerin viel mit ausländischen Studierenden zu tun. Ihr ist es wichtig, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen ins Gespräch zu bringen: „Es ist gut, wenn Juden, Christen und Muslime zusammen ihre Schriften lesen und sich darüber austauschen.“ Sie alle hätten Glaubensvater Abraham und Glaubensmutter Sara gemeinsam, zudem wiesen Hebräische Bibel und Koran eine Sprachverwandtschaft auf.

„Wir leben unter demselben Himmel in all unserer Verschiedenheit, Vielfalt und Einzigartigkeit“, betonte Aygün. „Das erfordert täglich, dass wir friedlich auf dieser Welt zusammenleben und unsere unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen wertschätzen.“ Um zu gemeinsamen Lösungen beizutragen, sei es entscheidend, die Religionen als Hoffnungsträgerinnen zu verstehen und theologische Überlegenheitsansprüche beiseite zu schieben. Religionen seien kein politisches Instrument, sondern eine Kraft- und Inspirationsquelle.

Zastrow wies darauf hin, dass Antisemitismus ein bleibend schweres Problem in der Gesellschaft sei. Ausgrenzung treffe nicht nur Juden, sondern alle andersgläubigen Menschen. Als positives Beispiel eines gelungenen Miteinanders nannte er einen gemeinsamen Gottesdienst zum Thema Schöpfung im Kindergarten Rampendal, der auch zu diesem Abend inspiriert habe.

In einem kurzen Vortrag zeigte Aygün die Entstehungsgeschichte des Korans auf. Es wurde deutlich, dass er im Offenbarungsverständnis des Islam die Stellung Jesu einnimmt: Ist Jesus die Menschwerdung Gottes auf der Erde, ist der Koran dessen Buchwerdung. Auch kritische Anfragen aus dem Publikum etwa zur Scharia oder zum Kalifat hatten ihren Platz. Der zweite Begriff bedeute „Stellvertreter Gottes auf Erden“, erklärte Aygün, aber das sei eigentlich jeder Mensch: „Wir alle tragen ein Stück Gottes in uns.“ Leider sei der Begriff heute oft mit Machtansprüchen verbunden und diene als Deckmantel für Gräueltaten.

Abschließend setzten sich die zahlreich erschienenen Besucher beider Religionen mit Geschichten von Josef, Jakob und Abraham auseinander, die jeweils in Bibel und Koran zu finden sind. Viele Gemeinsamkeiten wurden entdeckt, aber auch Unterschiede gewürdigt: Eine Trinitäts- oder Erbsündenlehre kennt der Koran nicht, wohingegen die Schöpfungstheologien stark übereinstimmen. Und trotz der herausragenden Rolle des Korans als Offenbarung Gottes machte Aygün abschließend eines deutlich: Eine rigoros wörtliche Auslegung, wie sie auch Biblizisten praktizieren, verbietet sich. „Jeder Text hat seinen eigenen Kontext.“

„Bibel und Koran“ im Rahmen der Reihe „Religionen im Gespräch“ wird am Dienstag, 5. Mai um 19 Uhr in St. Nicolai Lemgo fortgesetzt.

24.01.2020

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