Diskussion: (von links) Godwin Ampony, Sabine Hartmann, Jan-Niclas Gesenhues und Kurt Gerhardt kommen bei ihrer Einschätzung der Entwickungshilfe teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Erfolge der Entwicklungshilfe kontrovers diskutiert

Themenabend der Detmolder „Marktplatzgespräche“ anlässlich 60 Jahre „Brot für die Welt“

Detmold. In diesem Jahr feiert das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ sein 60-jähriges Bestehen. Das Jubiläum ist eigentlich ein Grund zur Freude, aber gleichzeitig bescheinigt es den bleibenden Skandal, dass die Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Ressourcen bis heute nicht überwunden ist. Der neueste Themenabend der Reihe „Marktplatzgespräche“ der Lippischen Landeskirche im evangelisch-reformierten Gemeindehaus am Markt in Detmold hat unter dem Titel „Hunger nach Gerechtigkeit“ den Erfolg der Entwicklungshilfe in den Blick genommen.

Die von Landespfarrer Dieter Bökemeier und Bildungsreferentin Monika Korbach moderierte Podiumsdiskussion brachte dabei überaus verschiedene Einschätzungen hervor. Sabine Hartmann, Referentin in der Lippischen Landeskirche für ökumenisches Lernen und Beauftragte für „Brot für die Welt“, skizzierte die Geschichte des Hilfswerks, das sich stets als Spiegel der Gesellschaft präsentiert habe. Sie erinnerte an die Anfänge, die von Rudi H. Wagners verdorrter „Hungerhand“ geprägt waren, die sich wie aus einem Grab bettelnd nach oben streckte. „Diese Darstellung wäre heute würdelos, die Haltung hat sich mit den Jahren stark verändert“, betonte Hartmann. Nicht zuletzt dank der kritischen Stimmen aus der Studentenbewegung seien Ursachen und Strukturen in den Fokus gerückt. Heute präsentiere sich die Zusammenarbeit als „Partnerschaft auf Augenhöhe“.

Godwin Ampony stammt aus Ghana und ist seit November 2018 für die Vereinte Evangelische Mission in Bielefeld tätig. „Ich selbst bin ein Produkt der Entwicklungshilfe“, erklärte der Pfarrer bei seiner Vorstellung. Er sprach von einer gegenseitigen Bereicherung, die der internationale Austausch leiste: „Auch das Expertenwissen, das ich aus Afrika mitbringe, hat eine Relevanz für die Arbeit in Deutschland.“ Kontinuierliche Entwicklungshilfe leiste zudem einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen: „Ich habe gesehen, wie Mikrokredite das Leben von Familien entscheidend verändert haben.“

Jan-Niclas Gesenhues, Mitglied des Landesvorstandes der Grünen in NRW, bemängelte, dass Entwicklungshilfe oftmals mit praktischen Problemen zu kämpfen habe, zudem fehle ein gesamtpolitischer Ansatz. „Die guten Ansätze der Entwicklungspolitik werden oft an anderer Stelle wieder zerstört, etwa in der Handels-, Agrar- und Klimapolitik.“

Deutliche Kritik, zumindest an den staatlichen Formen internationaler Entwicklungshilfe, kam von Kurt Gerhardt. Diese hätten zu Abhängigkeit, Lähmung und einer Bettlermentalität geführt, betonte er. Der Journalist ist Mitinitiator des „Bonner Aufrufs“, der 2008 radikale Veränderungen und in einer zehn Jahre später folgenden Erklärung das Ende der bisherigen Entwicklungshilfe forderte. Maßstab ist für Gerhardt das Subsidiaritätsprinzip, wonach der Starke dem Schwachen nur in dem Maße helfe, wie er es brauche: „Die Entwicklungshilfe verletzt dieses Prinzip und missachtet die Würde und Eigenverantwortung der Menschen in Afrika.“ Gerhardts Forderung, die afrikanischen Länder sollten sich selbstständig entwickeln, stieß auf dem Podium auf wenig Zustimmung. Einig waren sich die Beteiligten dagegen, dass die Gelder in der Vergangenheit nicht immer sinnvoll eingesetzt worden seien. Unisono forderten sie einen verantwortungsvollen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen, der berücksichtigt, was der Partner tatsächlich braucht. Das Saxophonquartett „AbraxSax“ hatte den Abend musikalisch begleitet.

26.02.2019