Aufklärung oder Beeinflussung?

Marktplatzgespräch: Bilder zwischen Tabubruch und Nachricht

Monika Korbach (2. von links) und Dieter Bökemeier (2. von rechts) moderierten das Marktplatzgespräch mit Armin Scholl, Tobias Treseler, Mario Krebs und Thorsten Engelhardt (von links).

Kreis Lippe/Detmold. Was dürfen Bilder in Zeitungen und im Fernsehen zeigen? Wann helfen Bilder, Zusammenhänge besser zu verstehen, und wann werden die Grenzen des Respekts und der Fairness überschritten? Mit der Verwendung von Bildern und Fotos in journalistischen und fiktionalen Medien beschäftigte sich das von Pfarrer Dieter Bökemeier (ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-Ost) und der landeskirchlichen Bildungsreferentin Monika Korbach geleitete „Marktplatzgespräch“ zum Thema „Zwischen Dschungelcamp und Charlie - Dürfen Bilder alles?“ im Gemeindehaus am Markt.

Die Gesprächspartner Thorsten Engelhardt (Lippische Landes-Zeitung), Mario Krebs (Geschäftsführer der ev. Filmproduktionsgesellschaft EIKON West), Prof. Dr. Armin Scholl (Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster) und Kirchenrat Tobias Treseler (Lippische Landeskirche) stimmten darin überein, dass das Publizieren mancher Bilder eine Grenzverletzung bedeute. Kirchenrat Tobias Treseler sagte, dass ihn die Veröffentlichung des Fotos vom ertrunkenem Flüchtlingsjungen abgestoßen habe, weil es dem verstorbenen Kind die Würde geraubt habe: „Dieser gestorbene Mensch wurde instrumentalisiert, um einen Effekt zu erzielen.“ Es sei nicht notwendig gewesen, das Bild des toten Jungen zu verbreiten, um auf das Elend syrischer Flüchtlinge aufmerksam zu machen.

Redakteur Thorsten Engelhardt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Tabubruch“. Bei der Lippischen Landes-Zeitung gebe es Redaktionsrichtlinien, dass Bildveröffentlichungen die Merkmale eines „fairen und respektvollen Umgangs mit Menschen“ erfüllen müssten. Deshalb zeige die Lippische Landes-Zeitung in ihrem Verantwortungsbereich keine Fotos gestorbener Menschen oder hilfloser Personen. Sicherlich müssten in Einzelfällen die Redaktionsverantwortlichen die Grenzen abtasten, ob eine Veröffentlichung zu verantworten sei. Um aber nicht bei jedem in Frage kommenden Foto situativ zu entscheiden, habe man einen bindenden Kriterienkatalog entwickelt.

Prof. Dr. Armin Scholl wies darauf hin, dass es die Hauptaufgabe des Journalismus sei, „Nachrichten zu publizieren und nicht, sie zurückzuhalten.“ Bezogen auf das Foto des syrischen Kindes bewege der Journalismus sich im Dilemma zwischen Veröffentlichung, um eine Nachricht zu illustrieren, und Zurückhaltung, um der Menschenwürde gerecht zu werden. Diese Meinungsunterschiede gebe es auch auf der Betrachterseite. Manche hätten die Verbreitung des Fotos als schamlos empfunden, andere als gerechtfertigt.

Nach Überzeugung von Mario Krebs (ev. Filmproduktionsgesellschaft EIKON) war es „unethisch und nicht akzeptabel“, das Foto des Kindes zu zeigen. Fotos, die wirken wollten, müssten nicht jede Einzelheit zeigen. Eine Bildersprache, die die Betrachtenden „laut und schrill“ mit allen Details konfrontiere, komme einer „Überwältigungsästhetik“ gleich und gebärde sich autoritär, „weil sie den Menschen etwas in manipulativer Absicht vor den Kopf knallt.“ Er selbst wie auch die ev. Filmproduktionsgesellschaft setzten dagegen auf „Aufklärung statt Beeinflussung“. Filme und Dokumentationen sollten den Zuschauern nicht nur Missstände und Ohnmachtsszenarien präsentieren, sondern auch und nicht zuletzt Bilder der Hoffnung und der Zuversicht.

23.10.2015