Archiv 2005 - 2001

16.01.2004

Ein langer Augenblick des Lebens

Pressemitteilung: Klarinette und Orgel: Giora Feidman und Matthias Eisenberg

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Musik ist eine universale Sprache: Giora Feidman und sein Organist Matthias Eisenberg in Detmold.

Ein Augenblick des Lebens. Giora Feidman hat an diesem Abend einen langen Augenblick musikalischer Verbindungen geschaffen. Mit seinem Organisten Matthias Eisenberg reist der Weltstar derzeit durch Deutschland. Er kommt nicht in die Konzertsäle der Metropolen, sondern in Kirchen – in Plön, Zwickau oder Itzehoe. Am 15. Januar war er in Detmold.
So wie die Musik für ihn die universelle Sprache ist, so universell greift er auch zu auf die Musik der Kulturen und der Epochen. Bach, Schubert und Mendelssohn, Spirituals und Scott Joplin – und immer, zuerst und zuletzt: die jüdische Klezmer-Musik. Das Konzert ist eine gewaltige Synthese, ein spannungsvolles Ganzes, von keiner Pause, keiner noch so kleinen Zäsur unterbrochen. Mal sind die Übergänge fließend, unmerklich fast, mal sind sie schroff, doch in überraschendem, witzigem Kontrast. Der Meister animiert die Gemeinde, „Shalom Chaverim“ zu singen, ein Kanon entspinnt sich, zaghaft zunächst, dann kräftiger – da platzt der „Entertainer“ dazwischen, die Klarinette swingt, der Organist zieht alle Register. Aber auch: Wie leise Feidman spielen kann. Gehaucht fast die melancholisch-fröhlichen Klezmer-Melodien: Man hört an die tausend Menschen atmen. Wie federleicht er die Läufe der Bachschen Choralbearbeitung „Jesus bleibet meine Freude“ bläst: eine verhaltene, stille, gelassene Freude. Und manchmal klingt sein Ton fast silbern, sanft vibrierend. Doch immer wieder kommt sie durch, die unbändig-lebensfrohe, singende und auch frech-kauzig kichernde Klarinette. Sie gleitet und verharrt in hohen, spitzen Tönen. Sie röhrt im tiefsten Bass. Sie jammert und klagt. Und sie wirft der virtuosen Orgel von Matthias Eisenberg übermütig Bälle zu, die aufgefangen und zurückgespielt werden...
Am Ende fasst Feidman, der 1936 in Buenos Aires geborene, seit langem in Israel lebende Jude, seine Botschaft nochmals kurz in Worte. Es ist die Botschaft von Versöhnung, Toleranz, Menschlichkeit. Und fügt eine weitere Synthese hinzu, ein Stück, in dem drei Nationalhymnen kunstvoll, fast zärtlich verschmelzen: die deutsche, die israelische und die palästinensische.
Andreas Duderstedt

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