Archiv 2005 - 2001

26.07.2001

Gottes Liebe relativiert geschlechtliche Bestimmungen

Pressemitteilung: Gottes Liebe relativiert geschlechtliche Bestimmungen

Das vom Landeskirchenrat beschlossene Rundschreiben an die Kirchenvorstände und Pastoren ist vom Theologischen Ausschuss der Landeskirche vorbereitet worden. Noltensmeier geht darin auch auf Bibelstellen ein, die homosexuelles Verhalten eindeutig verurteilen. Er stellt dazu fest, dass bei ihrer Deutung immer "auf das Gesamtzeugnis und die Mitte der Bibel zu achten" sei. Vor diesem Hintergrund zitiert er seinen Vorgänger Dr. Ako Haarbeck, der auf die generelle Schuld und Schwäche aller Menschen hingewiesen hatte: Alle sind demnach - unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung - auf Gottes grundloses Erbarmen angewiesen. "Die vereinzelten biblischen Aussagen zur Homosexualität treffen nicht den Kern des biblischen Zeugnisses", so Haarbeck. So wie Gottes Liebe allen Menschen gelte, sollten sich auch die Menschen in Achtung und Liebe gegenseitig akzeptieren, schreibt Noltensmeier weiter und zitiert dazu den Apostel Paulus: "Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat." Dies lasse geschlechtliche Bestimmungen in den Hintergrund treten.
Die Liebe, in der das geschieht, nehme in zweifacher Hinsicht Rücksicht auf Schwache, heißt es weiter in dem Brief. Zum einen seien gleichgeschlechtlich Liebende in Vergangenheit und Gegenwart die Schwachen. "Welche Mitverantwortung haben wir für eine unübersehbare Leidensgeschichte, für Unterdrückung und Kriminalisierung?", fragt der leitende Theologe. Zum andern sollte man aber auch diejenigen als die Schwachen wahrnehmen, die vom Bemühen um eine andere Sichtweise gleichgeschlechtlicher Liebe verunsichert seien. "Es gibt auch in dem forcierten Drängen auf neue Orientierung einen rücksichtslosen Umgang mit denen, deren Gewissen in ihrem Verständnis von Gottes Wort, manchmal freilich noch deutlicher in eigenen Ängsten, gefangen ist."
Der Landessuperintendent unterstreicht den besonderen Platz von Ehe und Familie in Kirche und Gesellschaft - auch deshalb, weil die Ehe offen ist für Kinder, "deren Leben in seinen Anfängen voller Verheißung, in seiner Schwachheit zugleich höchst bedroht ist." Der besondere Wert der Ehe mache sie zu einem Leitbild für menschliche Beziehungen. Alle menschlichen Beziehungen "brauchen zu ihrem Gelingen den Segen Gottes", stellt Noltensmeier fest: "Den Segen dürfen wir einander im Namen Gottes zusprechen." Das gelte auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Weil diese aber von eigenem Recht, von eigener Gestalt und Würde seien, "sollten sie in keiner Weise mit der Ehe verwechselt werden. So ist auch jede Gestalt des Segenszuspruchs, die auch nur von ferne mit einer Trauung verwechselt werden kann, zu vermeiden."
Das Rundschreiben "will das Gespräch anregen, begleiten, vielleicht auch orientieren", aber nicht das letzte Wort behalten. Drohungen, gegenseitige Verdächtigungen, Stimmungsmache und das mitleidige Lächeln übereinander seien unangemessen. "Wir bleiben im Gespräch", betont der Landessuperintendent.

Der Brief im Wortlaut

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