Litauische Jugendliche mit ihren Lehrern und eine Gruppe aus Lippe pflegten gemeinsam den jüdischen Friedhof in Biržai.

Gegen das Vergessen

Lipper pflegen jüdischen Friedhof in Litauen

Kreis Lippe/Biržai. Juliane Zarchi standen Tränen der Trauer und der Freude in den Augen, als sie die etwa 960 freigelegten Grabsteine sah: 17 Lipper und rund 20 Schüler und Lehrer des Gymnasiums vor Ort hatten den großen jüdischen Friedhof von Biržai (Litauen) von wild wachsenden Bäumen und sonstigem Wildwuchs befreit.

„Juliane Zarchi musste an ihren jüdischen Vater denken, an dessen Eltern und Geschwister, von denen niemand mehr lebt. Ihr wurde wieder einmal bewusst, dass es die jüdische Welt ihres Vaters nicht mehr gibt. Tränen der Freude kamen ihr, weil sie sah, dass Deutsche und litauische Jugendliche durch ihre Arbeit an diese Welt erinnerten“, berichtet Gertrud Wagner von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe. Sie und weitere Mitglieder der Gesellschaft sowie Vertreter der Lippischen Landeskirche, darunter Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann und Kirchenrat Tobias Treseler, hatten sich nach Litauen zur Pflege des Friedhofs aufgemacht. Gertrud Wagner: „Wir können die von Deutschland initiierte europäische Vernichtung jüdischen Lebens nicht rückgängig machen, aber wir können zusammenstehen, um Ähnliches zu verhindern.“
Alle hätten Freude an der Arbeit gehabt, besonders deswegen, weil sie von der Kommune unterstützt wurden. Gertrud Wagner: „Wir fanden jeden Morgen einen Wassertank zum Händewaschen vor oder auch ein Zelt mit Tischen und Bänken, wir erhielten Werkzeug und täglich wurde mittags warmes Essen gebracht“. Besonders habe sich die Gruppe auch über die Unterstützung durch die Bevölkerung gefreut, die Äpfel Birnen, Pflaumen oder frische Kuhmilch vorbeibrachte.
Wie Superintendent Rimas Mikalauskas (Reformierte Kirche in Litauen) berichtete, wurden am 8. August 1941 von Deutschen und Litauern 2400 Juden, unter ihnen 900 Kinder, in einem nahen Wald erschossen. Damit fand die Jahrhunderte alte jüdische Geschichte in Biržai, wie überall in Litauen, ein schreckliches Ende.
Motiviert durch den Einsatz der litauischen Jugendlichen und der lippischen Gruppe fand in diesem Jahr zum ersten Mal an der Erschießungsstätte eine bewegende Gedenkveranstaltung statt, an der auch der hochbetagte einzige überlebende Jude aus Biržai teilnahm. Die Veranstaltung war von den beiden Bürgermeisterinnen vorbereitet worden, unter Anteilnahme von Presse und Fernsehen wurde neben dem Kranz aus Lippe auch ein Kranz von Vertretern der Deutschen Botschaft in Vilnius niedergelegt. Die lippischen Gruppenmitglieder hatten zu diesem Tag einen kleinen Gedenkstein aus ihrer Heimat mitgebracht.


 

21.09.2011