Im Gespräch. Mit Dieter Bökemeier, Josef Kalasch, Bülent Yilmaz, Matitjahu Kellig, Nihat Köse und Winfried Neumann (von links).

Gemeinsamkeiten suchen

Talk der Religionen: Wie umgehen mit dem Wahrheitsanspruch?

Kreis Lippe/Bad Salzuflen. In der Reihe „Talk der Religionen“ haben sechs Religionsgemeinschaften in die Vahdet-Moschee in Bad Salzuflen-Schötmar eingeladen, um sich über den Wahrheitsanspruch der Religionen auszutauschen: „Wie können Religionen untereinander damit umgehen und gibt es eine gemeinsame Wahrheit dahinter?“

In Israel sei es möglich, dass trotz des aktuellen Krieges Juden und Muslime friedlich zusammenleben, sagte Nihat Köse vom Islamischen Kommunikationszentrum Detmold e.V. Rund 20 Prozent der israelischen Staatsbürger seien Araber. Jerusalem sei eine Stadt der religiösen Vielfalt und kritischen Auseinandersetzung. Köse stimmte mit Bildern seiner Israelreise auf das Thema ein.
„Gibt es nur eine Wahrheit oder ist der religiöse Wahrheitsbegriff subjektiv und können so mehrere Wahrheiten nebeneinander existieren?“ fragte Dieter Bökemeier, Landespfarrer für Diakonie, Ökumene und Migration der Lippischen Landeskirche. Die eine absolute Wahrheit sei nicht fassbar, so Matitjahu Kellig von der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold: „Sonst würden wir im Paradies leben“. Der Anspruch, die absolute Wahrheit zu besitzen, habe immer zu Krieg und Machtmissbrauch geführt. Jedes Gottesbild sei subjektiv und das Bilderverbot mache bewusst, dass es unmöglich sei, Gott zu definieren. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass Gemeinsamkeiten der verschiedenen Religionen gesucht werden sollten. Bülent Yilmaz (Alevitischer Kulturverein Bad Salzuflen und Umgebung e.V.) meinte, dass Gott in jedem guten Menschen sei. Wenn jeder bei seiner Identität bleibe, könnten auch Angehörige verschiedener Religionen friedlich zusammenleben. An mehrere Wahrheiten glauben die Eziden, erklärte Josef Kalasch (Ezidisch-kurdischer Elternverein Lippe e.V). Gott sei nicht nur für Eziden da, sondern herrsche als Schöpfer der Welt über alle Geschöpfe. „Eziden glauben an Seelenwanderung. Die eigene Seele kann im Angehörigen einer anderen Religion wiedergeboren werden. Freundschaften überschreiten Grenzen der Religionen.“ Winfried Neumann (Katholischer Pastoralverbund Lippe/Detmold) wies darauf hin, dass Katholiken die Spannung zwischen dem Wahrheitsanspruch und der Vielfalt verschiedener Religionen aushalten müssen. Wahrheit sei immer etwas Soziales. „Es ist wichtig, sich zu verständigen und gemeinsam auf den Weg zu begeben, um die Wahrheit immer wieder neu zu suchen.“  Dieter Bökemeier: „Die Bibel meint mit Wahrheit das, worauf ich mich persönlich verlassen kann und weniger eine objektive Tatsache. Das schließt gerade nicht aus, dass andere einer Wahrheit vertrauen, die von meiner abweicht.“ Man könne Wahrheit nicht besitzen, sie müsse praktiziert und gelebt werden.

23.01.2024